Logo: Kultursekretariat NRW Gütersloh - zur Startseite

„Andorra“ Burghofbühne Dinslaken

  • In einer großen, leeren Industriehalle steht eine Person mit blauem Poloshirt, Jeans und weißen Turnschuhen ruhig im Zentrum des Bildes und blickt direkt nach vorne. Links hinter ihr rennen drei weitere Personen in beigefarbener Kleidung., die aufgrund der Bewegung verschwommen dargestellt werden. Die Szene wirkt kontrastreich zwischen der statischen Haltung im Vordergrund und der dynamischen Bewegung im Hintergrund.

Eigentlich hat keiner der Bewohner*innen von Andorra etwas gegen Andri, den Pflegesohn des Lehrers. Er sei nur einfach anders, weil er ja „Jud“ ist. Deswegen habe er ein gutes Händchen fürs Geld und Feigheit liege ihm im Blut. So sei das bei den Juden. Er sei auch, sagen andere, geil und ohne Gefühl. Und Andri beginnt es zu glauben. Er versteht, dass für ihn andere Regeln gelten und alles immer ein bisschen schwieriger ist. Schließlich ist er ja „Jud“. Aber Gefühle hat er doch. Er liebt nämlich Barblin, die Tochter des Lehrers und möchte sie heiraten. Doch der Lehrer verbietet es ihm. Nach all den Jahren der Lüge muss nun endlich die Wahrheit ans Licht: Der Lehrer ist Andris leiblicher Vater, die beiden Liebenden sind demnach Halbgeschwister und Andri ist keineswegs Jude. Doch niemand scheint es hören zu wollen. In Andorra machen sich Angst und Unsicherheit breit. Über Nacht wird Andorra von den „Schwarzen“ angegriffen. Sie verkünden: Alle, die keine Juden sind, haben nichts zu befürchten. Andri, der ja keiner ist, will jetzt aber einer sein. Sein ganzes Leben lang hat er sich Zuschreibungen und Zurückweisungen anhören müssen und plötzlich ist er so, wie sie es immer gesagt haben. Eine Judenschau soll ans Licht bringen, wer einer ist. Und natürlich finden sie ihren Juden …

Max Frischs Parabel über Alltagsrassismus, Ausgrenzung und Antisemitismus zeigt eindrücklich, wie eine Gesellschaft sich in Angst verliert und die Ausgrenzung des vermeintlich Fremden immer mehr zunimmt. Ein zeitloses Stück, das uns vor Augen führt, wie menschenverachtende Mechanismen funktionieren, in denen aber alle Beteiligten der festen Überzeugung sind: „Ich bin nicht schuld, dass es so gekommen ist.“ Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, sich diesem Klassiker wieder zuzuwenden.

Die Inszenierung nimmt die Frage in den Fokus, wie sich der Konflikt, sprich die Ausgrenzung, der Alltagsrassismus und die Diskriminierung verallgemeinern lässt und insbesondere den Transfer ins Jahr 2025 schafft. Teilweise lässt sich die Frage schon durch den Text beantworten, der durch seine Parabelhaftigkeit universell lesbar ist. Der Text darf also in der Inszenierung verstärkt und verdeutlicht werden. Und teilweise kann der Autor selbst Hinweise liefern, die in der Inszenierung zu hören sein werden. Wie steht Max Frisch zu seinem Text? Was hat er für ein Verständnis zur Geschichte und welche persönliche Einstellung zum Thema Rassismus und Ausgrenzung können wir bei ihm finden? Zu diesen Fragen gibt es interessante Antworten in seinen Tagebüchern, in Gesprächen und Dokumentationen, wie auch in Zitaten. 
Außerdem möchte die Inszenierung das Publikum in die Verantwortung holen und emotionale Berührungen schaffen – der moderne Klassiker soll heute erlebbar sein!
Auf Wunsch umfassendes theaterpädagogisches Begleitprogramm dazu planbar.

Foto: Burghofbühne Dinslaken / Nadja Blank

Beteiligte Städte

Zurück nach oben