Kultursekretariat NRW Gütersloh

Klangkosmos: Sephardische Musik aus dem Cafe Aman

Xurxo Fernandes ist ein anerkannter Forscher des sephardischen Repertoires, welches die Lieder der 1492 aus Spanien vertriebenen Juden beinhaltet, die bis heute in der jüdisch-spanischen Sprache Ladino gesungen werden. Vor knapp 20 Jahren begann er eine Forschungsarbeit über solche Lieder, die in der Zeit des Osmanischen Reiches in dessen letzter Hauptstadt Konstantinopel um 1902 heimlich von Griechen, Türken, Armeniern und sephardischen Nachkommen im Café Aman angestimmt wurden. In orientalischem Stil sangen sie humoristische Songs, Liebeslieder und Weisen, in denen sie von ihrer politischen und sozialen Realität erzählten. Einer dieser Songs handelt von Jako Koen aus Thessaloniki, zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch genannt das „Jerusalem des Balkans“, weil dort die größte Community Spanischer Jüd*innen lebte und überall Ladino gesprochen wurde. In dieser Sprache sangen dort damals auch viele Musikgruppen, die hauptberuflich auf Hochzeiten und anderen kommunalen Festen auftraten. Üblicherweise begleiteten sich die Sänger*innen dabei selbst auf dem Tambourin und wurden von weiteren Musiker*innen auf Instrumenten wie der Violine und der arabischen Laute Oud begleitet. Zu diesen Musiker*innen gehörte Jako Koen, bekannt auch unter dem Namen „Jako der Musiker“ oder „Jako der Schurke“, da er, während er auf Hochzeiten, auf Mizwa-Partys oder in Bars sang, um zu überleben, wohl auch die Gelegenheit ergriff, das Geld seiner Kund*innen zu stehlen, wenn diese nicht auf ihre Tasche aufpassten. Dies ist jedenfalls so aus dem Text des Songs „Jako El Muzikante“ zu verstehen.
Kurz nach dem Untergang des Osmanischen Reiches 1923 übernahmen und adaptierten Musikensembles in Griechenland, in der Türkei und in Armenien diese Musik innerhalb ihrer neuen Landesgrenzen. Nur die sephardischen Melodien gerieten aufgrund der schwierigen Situation der Sepharden ohne eigenes Land in Vergessenheit. Während Xurxo Fernandes begann, über die sephardischen Lieder der osmanischen Zeit in der Türkei und in Israel zu forschen, wurde er zum Repertoire der Café-Aman-Lieder geführt, die er seitdem systematisch sammelt.

Mit seinem über die Jahre der Forschung gereiften Projekt „Jako El Muzikante“ präsentiert Xurxo Fernandes nun die Lieder vom Café Aman als „jüdische urbane Musik aus dem Osmanischen Reich“ in einer modernen Interpretation, in der er die Atmosphäre des Café Amans zu Beginn des 20. Jahrhunderts rekonstruiert. Mit seinen Ensemble aus Madrid, das je nach Auftritt zwischen drei und sieben Musiker*innen umfasst, spürt er die sephardische Klangfülle in der Originalsprache nach. Der Gesang seiner wunderbaren Stimme wird dabei von hochkarätigen Musiker*innenn begleitet, deren erlesene Instrumente den Klang der damaligen Epoche wiedergeben.
12 Songs aus seiner Sammlung jüdischer Musik aus dem Osmanischen Reich hat Xurxo Fernandes mit der Gruppe Jako El Muzikante 2019 auf dem Album „Ven Al Luna Park“ (Komm in den Luna Park) veröffentlicht, mit umfangreichen Begleitbuch in den Sprachen Spanisch, Englisch und auf Hebräisch. Darin sind alle Texte der Lieder nachzulesen.

Im Rahmen von Klangkosmos tritt Xurxo Fernandes im Trio mit der ungarischen Geigen-Virtuosin Andrea Szamek auf und dem renommierten sudanesischen Oud Spieler Wafir Sheikh el Din, der in Karthoum bei seinem legendären Landsmann Abdul Aziz Al Mubarak Oud studierte und Mitglied Spaniens bekannter Worldmusicgruppe Radio Tarifa war. Gemeinsam präsentieren sie mit vollem Spieleinsatz virtuos und eindrucksvoll arrangiert ein verschmitzt-schelmisches Programm, das an große Interpreten des 20. Jahrhundert erinnert, wie den französischen Schauspieler und Sänger Maurice Chevalier und sein Dandytum und die Dreistigkeit des Cabarets der Zwischenkriegszeit, wobei sich hier Orient und Okzident treffen, um einen finalen Toast auf das Café Aman zu erheben mit vertonten Gedichten, Hommages an sephardische Musiker, satirischen Songs, Gesängen auf die Liebe, den Frieden und die Natur inklusive Tieren wie Fröschen, Ratten, Hunde, Katzen, Hähne, Enten, Papageien und mehr in beunruhigendem Humor zu orientalischen Rythmen und Tänzen.

Unterstützt wird die Klangkosmos-Tour von Jako El Muzikante durch den Kölner Verein „321-2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e.V.“, der sich 2018 gegründet hat, um im Jubiläumsjahr 2021 verstärkt auf die Bedeutung der jüdischen Kultur und Geschichte für Deutschland und Europa hinzuweisen und an ihr 1700-jähriges Bestehen zu erinnern. Der Verein möchte dadurch öffentlichkeitswirksam dazu beitragen, kulturelle, politische und interreligiöse Debatten innerhalb der Gesellschaft anzustoßen und deutliche Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus zu setzen. Gleichzeitig ist es sein Anliegen, Weltoffenheit, Toleranz und ein nachhaltig friedliches Zusammenleben von Menschen verschiedener Religionen zu fördern.

Beteiligte Städte

  • Brilon
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  • Hamm
  • Kempen
  • Paderborn

Veranstaltungen

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